• Energienotierungen vor dem Wochenende leichter
  • EuGH räumt Eon-RWE-Deal ab - teilweise
  • BWE: RED III vor der Sommerpause, EEG im Herbst
  • Wasserstoffpläne in Boxberg zurückgestellt
  • FNN-Vorstand: Praxistaugliche Lösungen für Steuer-Rollout vorhanden
  • Kundenorientierung beim Steuern im Fokus
  • Kongress fordert Novellen für erneuerbare Wärme
  • Neue Eigentümerstruktur bei den Stadtwerken Garbsen
  • Tunnel „Candela“ vollendet Berlins Kabeldiagonale
  • Stadtwerke Bielefeld finanziell gestärkt
Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - „Ein bisschen wie Freibier für alle“
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
„Ein bisschen wie Freibier für alle“
Bei der Stadtwerke-Tagung in Berlin waren die Sicherheit der Infrastruktur und die Vorbildfunktion Deutschlands in der globalen Energiewelt zentrale Themen.
 
Von Versorgungssicherheit, Wärmewende, Finanzierungsmöglichkeiten der Energiewende über neue Geschäftsmodelle bis hin zu den Auswirkungen der aktuellen geopolitischen Verwerfungen − die gesamte Klaviatur, die hierzulande die Stadtwerke an Themen bewegt, stand auf dem Programm der zweitägigen Handelsblatt Jahrestagung „Stadtwerke 2025“ in Berlin, die von gut 300 Experten der Branche besucht worden war.

Für die Entega-Vorstandsvorsitzende Marie-Luise Wolff erfordert die geopolitische Situation eine neue Einordnung der energiewirtschaftlichen Ziele. Der Energiesektor müsse eine Anpassung des Dreiecks Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz vornehmen − und auch den Aspekt des Schutzes kritischer Infrastrukturen berücksichtigen. „Was wäre, wenn hierzulande ein Cyberangriff auf fünf, zehn große Stadtwerke gleichzeitig stattfände? Wären wir darauf vorbereitet? − Nein“, ist Wolff sich sicher.

Strompreissenkung sorgt für Beruhigung

Die Energiewende vorantreiben, dezentrale Erzeugungsstrukturen weiter aufbauen, das stärke die Unabhängigkeit, unterstrich sie. „Aber wir müssen deutlich sparsamer mit dem umgehen, was wir haben“, mahnte sie. Effizienz mehr in den Blick nehmen, Kostenreduktion in den Vordergrund stellen − auch das seien Aufgaben über die kommende Legislatur hinweg. Der von der Politik angekündigte Schritt, den Strompreis für alle um 5 Cent pro kWh zu senken, werde sicher für Beruhigung sorgen, prognostiziert Wolff, aber unterm Strich läppere sich das auf 60 Milliarden Euro in vier Jahren. „Das ist ein bisschen wie Freibier für alle. Einmal geschehen, ist es schwer, das wieder zurückzudrehen.“

Die Entega-Chefin plädiert stattdessen dafür, die milliardenschweren Pakete, die die Politik nun bündeln wolle, nicht primär in konsumtive, „schnell verpuffende“ Bahnen zu bringen, sondern auf Langfristwirkung zu setzen. „Es muss mehr in die Investitionen gehen.“

Potenzial für eine höhere Effizienz im Energiesystem ist Wolff zufolge allemal vorhanden. Ein zentraler Punkt sei die Überprüfung der Bedarfe, ob die Ausbauziele etwa bei den Netzen oder Kraftwerken auch jeweils aktuell notwendig sind. „Wir gehen wohl in eine Weltrezession, da kann man also strecken.“ Die derzeitige Netzplanung für 2030 mit 750 TWh an Strom nach 500 TWh im vergangenen Jahr hält sie für zu hoch. Schließlich koste nicht genutzte Infrastruktur unnütz Geld.

„Überprüfung der Bedarfe, Netzdienlichkeit vor Geschwindigkeit und alles in der richtigen Reihenfolge, darin liegt die Weisheit, alle Puzzlestücke der Transformation zusammenzubringen“, so Wolff. Das gelte auch für die Versorgungssicherheit. Die in den vergangenen Jahren gemachten Schritte, aus Atom und schnell auch aus Kohle auszusteigen, aber keine steuerbaren Neuanlagen für die Grundlast errichtet zu haben, hält sie für falsch. „Wenn bis 2030 wie vorgesehen bis zu 20 GW an Kraftwerksleistung ausgeschrieben werden sollen, sind das 40 bis 50 große Gaskraftwerke, und das ist kaum möglich zu realisieren.“

Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova, appellierte, nicht nur auf die Politik zu schauen, sondern als Energieversorger auch „unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen“. Die Politik solle einen „Ermöglichungsrahmen“ formulieren. Aber die dazu notwendigen Anforderungen, um diesen umzusetzen, müssten in der Energiewirtschaft erarbeitet werden. „Wir als Branche sind gefordert, uns selbst die Karten zu legen.“ Andernfalls gebe es am Ende nur enttäuschte Gesichter und der Kunde zahle einen viel zu hohen Preis.

Maxelon: Wir werden mehr Zeit brauchen

Die All-Electric-Lösung allein werde es nicht geben. Daher muss Maxelon zufolge verstärkt in den Blick genommen werden, welche der vorhandenen Infrastrukturen weiter genutzt werden kann, um nur das, was dann noch nötig ist, zuzubauen. Auch die Zeitschiene sei in Bewegung. „Wir werden mehr Zeit brauchen, um die Transformation zu steuern“, ist er überzeugt. Auch das bedeute weniger zusätzliche Investitionen. „Und wir sind aufgefordert, was dazuzulernen“, sagt er. Man müsse lernen, ein volatiles System optimal auszusteuern. Das helfe ebenfalls, den Infrastrukturausbau weiter zu minimieren.

„Wir müssen lernen, das System zu verstehen, wir müssen uns trauen, unsere Komfortzone zu verlassen, und was Neues ausprobieren.“ Für diesen Schritt gehe es der Branche aber fast noch zu gut, befürchtet Maxelon. Dennoch: Flexibilitäten zu managen, auch das müsse künftig zu deren Kernkompetenzen zählen.

Und dann der Blick auf den Wettbewerb. „Wir sind nicht allein. Wir haben als Stadtwerke keine Lizenz zum Gelddrucken.“ Die Energiewende zu betreiben, darin sähen nun auch mehr und mehr Einsteiger ihre Chance, etwa schnell wachsende Unternehmen wie Octopus Energy oder Einskommafünfgrad, aber auch der Verband der Wohnungswirtschaft. „Sie versuchen uns das Fürchten zu lehren, weisen aber auch auf eines hin: Es gibt Geschäftsmodelle. Also lasst uns darauf eingehen!“

Die Branche habe es in der Hand, die Vision von weiterhin erfolgreichen Energieversorgungsunternehmen umzusetzen. „Wir werden nachweisen, dass der Sonderweg Deutschlands, auf Basis von volatilen Einspeisern ein Energiesystem stabil zu betreiben, ein weltweites Vorbild für eine dekarbonisierte Zukunft ist“, ist Maxelon überzeugt.

In seiner persönlichen „Vision 2040“ ist das bereits geschehen: Die Energiewende ist da vollständig und geglückt umgesetzt. Die Effizienz beim Umbau als oberste Maxime eingehalten, damit der Preis für den Kunden fair und tragbar ist, die Stabilität des Gesamtsystems, „unsere Kernkompetenz“, weiterhin gewährleistet, Flexibilitäten geschaffen. Zugegeben noch eine Vision, aber jeder Zukunftsblick setzt schließlich auch Motivation und zielgerichtetes Tun voraus.
 
E&M-Chefredakteur Stefan Sagmeister (l.) im Gespräch mit Fabian Maleitzke, Director Smart Metering bei Octopus Energy, und Paul-Vincent Abs (r.), Geschäftsführer der Ewa Riss in Biberach
 Quelle: Handelsblatt / Dietmar Gust

Auch der Blick in den „Maschinenraum“ der Energiewende, wie es in der Anmoderation von E&M-Chefredakteur Stefan Sagmeister formuliert wurde, war während der Veranstaltungstage möglich. Etwa beim Thema zeitvariabler und volldynamischer Stromtarife. Zeitvariable Tarife gebe es schon länger und sie seien ein großer Wachstumsmarkt in Deutschland etwa für Kunden mit Wärmepumpe und/oder E-Auto, kommentierte Fabian Maleitzke, Director Smart Metering bei Octopus Energy Germany. „Eine intelligente Lösung“, weil hier längerfristig und risikofrei Fixpreise für günstige Ladezeiten sowie für restliche Zeiten gesichert seien. Seit Anfang des Jahres gebe es nun auch den volldynamischen Tarif, dem jeweils der aktuelle Strompreis am Markt zugrunde liegt. Das aber sei eher etwas für Kunden, die tiefergehend ihre Energienachfrage im Blick hätten.

Deutscher Sonderweg „mittelschwere“ Katastrophe 

Dreh- und Angelpunkt in diesem Geschäft ist das Vorhandensein von intelligenten Messsystemen. Doch mit der Zusammenarbeit mit Netzbetreibern habe es in Sachen Smart Meter in manchen Regionen nicht so geklappt wie erhofft, sagte Maleitzke. „Deshalb haben wir selbst einen wettbewerblichen Messstellenbetrieb aufgebaut.“
Octopus Energy hofft darauf, dass die Technologie endlich im großen Rahmen in die Fläche kommt. „Der deutsche Sonderweg ist eine mittelschwere Katastrophe. Das ist der Grund, weshalb wir bei Smart Metern gerade mal bei 2 Prozent Durchdringung in Deutschland liegen.“ Italien und Schweden etwa stünden bei annähernd 100 Prozent.

Hierzulande seien die Vorgaben überbordend und überzogen. „Wenn ein Smart Meter im Haushalt angegriffen wird, dann geht Deutschland nicht unter. Der Glaube, einzelne Geräte so sicher machen zu müssen, dass keiner rankommt, ist der komplett falsche Ansatz“, so Maleitzke.

„Aber wir bauen auf und ermöglichen unseren Kunden, das darin liegende Potenzial zu nutzen“, ergänzte er. Geschätzt wird, dass binnen einer Dekade etwa 10 Prozent des Gesamtstrombedarfs als flexibles Asset abgerechnet werden.  
 

Klaus Lockschen
© 2025 Energie & Management GmbH
Mittwoch, 07.05.2025, 08:30 Uhr

Mehr zum Thema